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Mit Mandantenzentrierung und vertrieblichem Mindset zur Zukunftskanzlei

Thorsten Hesse, Gründungscoach und Kanzleiberater, beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Strategie, Marketing und Vertrieb. Vor allem jedoch mit der Frage: Wie kann die Digitalisierung in Kanzleien realisiert oder vorangetrieben werden? Uns gibt er wertvolle Einblicke in mögliche Szenarien von Zukunftskanzleien und erklärt, was es mit der Mandantenzentrierung und dem vertrieblichen Mindset auf sich hat.

Digitale Transformation in Kanzleien bereits in vollem Gange

Eine Analyse der aktuellen Situation in der Kanzlei-Branche zeigt, dass die digitale Transformation bereits begonnen hat: Nach und nach werden klassische, papierorientierte Vorgänge durch digitale, automatisierte Prozesse abgelöst. Somit fallen mit der Digitalisierung, Automatisierung und Software-Integration manuelle Tätigkeiten wie die Buchung von Belegen weg. Kanzleien berichten, dass die Zeitersparnis mitunter an die Mandanten weitergegeben wird und dies einerseits zu niedrigeren Honoraren führt. Andererseits führen effizientere Prozesse im Bereich der Deklarationsleistungen im Rahmen der Finanzbuchhaltung, Lohnbuchhaltung, Jahresabschlüsse sowie Steuererklärung zu neuen Freiräumen. Diese können genutzt werden, um neue Beratungstätigkeiten anzubieten oder neue Mandate im Bereich der Deklaration anzunehmen. Der Geschäftsmodell- und Strukturwandel hin zu einer volldigitalen Kanzlei wird sich in den nächsten Jahren weiter fortsetzen. Schrecken Sie nicht vor diesen Veränderungen zurück. Die Digitalisierung macht Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nicht überflüssig. Ganz im Gegenteil, es bieten sich zahlreiche neue Chancen und Potenziale.

Chancen und Potenziale: Wie sieht die Zukunft von Kanzleien genau aus?

Darauf gibt es keine Pauschalantwort. Jede Kanzlei hat ihren eigenen Weg, ihre eigenen Besonderheiten und somit eine individuelle Zukunft. Hier ist die jeweilige Ausgangssituation entscheidend: Wo steht die Kanzlei heute und welche Stärken und Potenziale hat sie?
Es ist jedoch klar abzusehen, dass die steigende Zeitersparnis im Deklarationsbereich durch digitale Prozesse weiter zunehmen wird, sodass Kanzleien ihre Geschäftsmodelle und Strukturen neu denken müssen. Zwei mögliche Zukunftsszenarien zeigen, wie der neu gewonnene Freiraum gestaltet werden kann:
Zum einen können Kanzleien frei gewordene Ressourcen für die Steigerung der Deklarationsleistungen nutzen, indem sie neue Mandate bzw. Aufträge annehmen und so mengenmäßig im Bereich der Deklarationsleistungen wachsen. Mit der Digitalisierung von Belegen, zunehmender Prozessoptimierung und Automatisierung erzielen Kanzleien eine Effizienzsteigerung von bis zu 70 – 80 Prozent im deklaratorischen Bereich.
Zum anderen kann die Zeitersparnis u.a. für neue oder umfangreichere Leistungen in der betriebswirtschaftlichen Beratung genutzt werden. Deklarationsleistungen weichen somit zugunsten von Consulting-Leistungen und eröffnen Kanzleien so neue Chancen. Denn auch in der Beratung nimmt ein intensiver Strukturwandel Fahrt auf: Während früher die Beratung erst nach der Gewinnung eines neuen Mandanten und dem Verstreichen von ca. 10 Monaten begonnen hat – also als ein ungefähres Bild der steuerlichen Belastung vorlag – setzt heute eine Prozessberatung quasi mit der Mandatsgewinnung an. Stichwort: vorausschauende Planung – denn vor der Mandantenbetreuung muss eine ausführliche Prozessanalyse stattfinden, in der Abläufe und Vorsysteme definiert und mit geeigneten Schnittstellen in einen reibungslosen, durchgängigen Prozess gebracht werden.
Egal, welchem Szenario man folgt: Zukünftig ist es im ersten Schritt notwendig, die Prozesse mit den Mandanten sauber zu definieren und zu digitalisieren. So rückt der Beratungsanteil automatisch in den Vordergrund und wird zukünftig wichtiger. Um Dr. Robert Mayr, CEO Datev, zu zitieren: „Zahlen. Daten. Fakten. Steuerberater können so viel mehr als Bilanz, Jahresabschluss, Deklaration.“

Das A & O: Ein positives Verkaufs-Mindset und die richtigen Argumente

Alle Zukunftsszenarien haben eins gemeinsam: Kanzleien müssen sich einer neuen Aufgabe und manchmal auch neuen Herausforderung stellen – der Leistungs-Argumentation. Wenn Leistungen nicht vom Gesetzgeber bedingt sind, gestaltet sich die Vermarktung der Beratungsleistung mehr oder weniger einfach. Dies trifft vor allem auf die Prozessberatung und die Verfahrensdokumentation zu. Hier ist es oftmals schwer, den Mandanten von den entsprechenden Leistungen zu überzeugen.

Challenge 1: Kundenzentrierte Beratungsangebote

Wenn Sie neue Beratungsleistungen entwickeln, sollten Sie sich in die Perspektive des Mandanten/Kunden versetzen und Ihr Beratungspaket auf die Zielgruppe abstimmen. Ratsam ist, zunächst einen „Prototypen“ zu gestalten und diesen mit der Zielgruppe und deren Bedarfe abzugleichen, bevor Sie das vollständige Beratungspaket auf den Weg bringen. Oftmals sind wir in unseren eigenen Überlegungen so festgefahren, dass die wirklichen Bedürfnisse des Mandanten ignoriert werden. Wir identifizieren Probleme, finden Lösungswege und vergessen dabei, ob die analysierten Probleme für die Mandanten tragend und bedeutsam sind. Deshalb sollten neue Beratungsleistungen zunächst als Rohentwürfe auf die Probe gestellt werden. Erst wenn sich das „Problem“ auf dem „Markt“ bewährt, sollte das Beratungsprodukt iterativ mit den Kunden weiterentwickelt werden. Holen Sie sich dafür auch das wertvolle Feedback Ihrer Mandanten ein, um die neuen Beratungs- und Service-Leistungen problemorientiert und marktgerecht zu optimieren und Ihre Beziehungen zu stärken. Grundsätzlich gilt: Start with the problem, not with the solution – verschiedene Methoden begleiten Sie auf dem Weg zum erfolgreichen Beratungspaket. Mit dem „Design Thingking“-Prinzip können Sie sich schnell und methodisch in Ihre Mandanten einfühlen und tiefe Einblicke in deren individuellen Bedürfnisse gewinnen. Methoden und Tools wie das „Product Vision Board“ oder das „Business Model Canvas“ helfen Ihnen, bei der Entwicklung neuer, problemorientierter Beratungsleistungen und bei der Entwicklung guter Argumente, um potenziellen Mandanten im Gespräch vom Beratungsprodukt zu überzeugen.
Doch wie kommen solche Methoden bzw. das Know-how in Ihre Kanzlei? Zunächst gibt es auch für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer geeignete Förderprogramme, z. B. unternehmensWert:Mensch. Darüber hinaus bietet die DATEV eG mit dem Bereich Kanzlei-Consulting wertvolle, praxisnahe Unterstützung.

Challenge 2: Vertriebsqualitäten auf- und ausbauen

In Kanzleien wird Vertrieb immer wichtiger, um sich künftig im Markt zu behaupten. Doch wie gelingt die strukturierte Vermarktung neuer Beratungsleistungen und wie können neue Mandanten gewonnen werden? Im Akquise-Gespräch ist es wichtig, dass Sie nicht nur die Inhalte und Vorteile der Beratungsleistung aufzählen, sondern vielmehr den Bedarf des Mandanten zu erkennen und ihn davon ausgehend gezielt zu beraten. Die Kommunikation und der Dialog zwischen dem Mandanten und Ihnen ist entscheidend: Es geht ums Zuhören und um die Kommunikation auf Augenhöhe. Nur so können Sie die Bedarfe des Mandanten identifizieren und geeignete Lösungen bieten. Insbesondere wenn die Beratungsleistungen nicht vom Gesetzgeber veranlasst sind, ist ein vertriebliches Mindset unbedingt nötig. Halten Sie nicht an der Beraterrolle fest, denn gleichzeitig sind Sie auch Vertriebler. Das ist überhaupt nicht schlimm, entwickeln Sie eine positive Einstellung zu den vertrieblichen Aufgaben in der Kanzlei. Lassen Sie sich schulen, um Ihre vertrieblichen Fähigkeiten auszubauen, souverän aufzutreten und um Ihre Beratungsleistungen erfolgreich zu vermarkten. Entfalten Sie unentdeckte Potenziale und eignen Sie sich auch außerfachliche Methoden und Kenntnisse an – Wissen bringt nicht nur Ihre Mitarbeiter weiter, sondern auch Ihre Kanzlei und schließlich auch Ihre Mandanten.

Anker einholen, Leinen los – nicht ohne eine gute Vorbereitung

Starten Sie mit einer Bestandsaufnahme und entwickeln Sie eine Kanzlei-Vision für die nächsten Jahre, um die Weiterentwicklung Ihrer Kanzlei und die Digitalisierung erfolgreich voranzutreiben. Bauen Sie Ihr Wissen und Ihre Kompetenzen in den Bereichen Geschäftsmodellentwicklung und Vertrieb aus und lassen Sie das Potenzial von CRM-Lösungen für digitale Vertriebs- und Serviceprozesse nicht außer Acht, um neue Möglichkeiten des Wachstums zu erschließen.

 

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